FBW 6159 – 50U CU3A Kehrichtwagen

Fahrzeug:FBW 50U CU3A
Baujahr:1972
Chassis-No:6159
Motor:CU3A 6 Zylinder Reihen-Unterflur Diesel mit Holset Lader
Hubraum:6’998 cm3
Getriebe: Allison MT41 Vollautomatik
Hinterachse:Typ  50
Schnellgang: –
Gesamtgewicht: 16’000 kg
Geschwindigkeit: 61-67 km /h
PS: 160 PS
Aufbau:Ochsner Kehrichtwagen
Kabine: 
Erstbesitzer:Abfuhrwesen der Stadt Zürich
Heutiger Besitzer:Willi Röllin, Näfels
Fahrzeugeinsatz:Abfallsammlung, int. Nr. 112
Bemerkung:Verkauft an Gemeinde Pfaffeien FR
Zurückgekauft durch ERZ und  Restaurierung 2010
  
Kontakt: 

Tages-Anzeiger - Dienstag, 31. März 2020

Nachwehen des ERZ-Skandals Wer kauft schon einen vergoldeten Zürcher Müllwagen?

Zürichs Entsorgungswesen will jene Oldtimer versteigern, die mit Hunderttausenden abgezweigten Gebührenfranken saniert wurden. Ein schwieriger Job.

Mit freundlicher Genehemigung des Redakteurs Marius Huber

 

Alles muss weg: Blick ins illegale Oldtimer-Museum auf dem ERZ-Areal in Opfikon mit einem MAN-Spülwagen von 1987 und einem Berna-Kipplaster von 1946.

Es dürfte die kurioseste Auktion werden, die Zürich dieses Jahr erlebt. Was da zum Verkauf steht, sind «vergoldete Kehrichtwagen», wie der «Zürcher Oberländer» einmal treffend schrieb. Historische Nutzfahrzeuge, die der geschasste frühere Direktor von Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ), Urs Pauli, insgeheim sammeln liess. Und eben nicht bloss sammeln, sondern auch aufwendig restaurieren – mit Hunderttausenden Franken öffentlicher Gebührengelder auf dem Gelände eines stillgelegten Klärwerks kurz hinter der Grenze zu Opfikon.

So kommt es, dass ein ausrangierter Kehrichtwagen aus den Siebzigern im Prinzip fast 400’000 Franken Wert hat. So viel Geld ist in seine Instandstellung gesteckt worden, wie aus den später öffentlich gemachten Unterlagen hervorgeht. Und in einen Kipplaster aus den Vierzigern wurden demnach in einem einzigen Jahr über 200’000 Franken investiert.

Fast 400’000 Gebührenfranken wurden in den Siebzigerjahre-Müllwagen rechts im Bild gesteckt.

Die Arbeit verrichteten überzählige Handwerker der ERZ-Werkstattbetriebe, die sonst hätten entlassen werden müssen – zu einem Stundenansatz von 60 bis 80 Franken. Das Museum war also eine «verdeckte betriebsinterne Sozialmassnahme», wie es später in einem Untersuchungsbericht heissen sollte.

Ziel: Die Gebühren zurückholen

Erklärtes Ziel der neuen ERZ-Führung ist es, mit der Auktion möglichst viele der Gebührenfranken wieder reinzuholen. Das ist nah an einer «Mission Impossible», denn der Markt für solche Fahrzeuge ist gesättigt, wie die beiden Szenekenner Walter Stutz und Hans Billeter unabhängig voneinander sagen. Dass die Auktion wegen des Coronavirus vom 2. Mai auf einen späteren Termin verschoben worden ist, ändert nichts daran.

Mehr als ein paar Tausend Franken lasse sich für solche Lastwagen kaum mehr lösen, auch wenn sie wunderschön hergerichtet seien. Billeter verweist aufs ernüchternde Beispiel eines Bünder Unternehmers, der seit langer Zeit erfolglos versuche, einen für über 100’000 Franken aufgemöbelten Oldtimer-LKW für gut 30’000 Franken zu verkaufen. Im Fall von ERZ komme ein weiteres Problem dazu: «Was will ein Käufer auch mit einem Kehrichtwagen anfangen?»

 

Einzigartige Kulturgüter

Stutz warnt, die Stadt Zürich mache einen Fehler, wenn sie die zwei Dutzend Objekte aus dem illegalen ERZ-Museum verramsche. Sie gebe damit bedeutende Kulturgüter aus der Hand. Es befänden sich Maschinen von verschwundenen Schweizer Herstellern darunter, von denen manche Modelle seines Wissens einzigartig seien.

Besonders begeistert ist Stutz von einem hundertjährigen «Sprengwagen» der Firma Tribelhorn, die in Feldbach am Zürichsee und später in Zürich-Altstetten Nutzfahrzeuge produzierte. Das ERZ-Modell ist mit einem Wassertank ausgerüstet und einer Brause am Kopfende, mit der es die Strassen bespritze, um den Staub zu binden und die Reinigung zu erleichtern.

Eine Rarität: Der Tribelhorn von 1925 mit Brause an der Schnauze.

Immerhin: ERZ hat inzwischen entschieden, diesen Wagen und einen ebenfalls hundertjährigen Abfallsammelwagen der Oltner Marke Berna nun doch zu behalten, weil sie «historisch besonders wertvoll» seien. Sie sollen künftig in Besucherrundgänge integriert werden.

Der bereits erwähnte, für viel Geld restaurierte Berna-Kipplaster von 1946 kommt dagegen auf den Markt, Gleiches gilt für den Siebzigerjahre-Müllwagen der Marke FBW, die ein fast vergessenes Stück Zürcher Wirtschaftsgeschichte ist. Im Markennamen sind die Initialen des kroatischen Einwanderers Franz Brozincevic versteckt, der ab 1910 in Zürich eigene Lastwagen baute – es war die Gründungsstunde des noch heute bestehenden Autohändlers Franz AG an der Badenerstrasse.

Der innovative Brozincevic und seine Nachkommen glänzten im Lastwagenbau mit einigen Pionierleistungen. Das FBW-Museum am späteren Produktionsstandort Wetzikon wäre am ERZ-Wagen interessiert, aber Geld für Ankäufe ist laut Clubpräsident Hans Billeter keines vorhanden.

Für ein Museum in Zürich fehlt das Geld

In der Stadt Zürich sind bisher alle Ansätze versandet, den historischen Fahrzeugpark selbst für die Nachwelt zu erhalten. Fast 80 Oldtimer wurden bei einer Umfrage vor einigen Jahren gezählt. Ein Teil davon steht im Zürcher Trammuseum, wo der Platz knapp ist. Die Pläne scheiterten daran, dass eine zentrale Sammlung eine Fläche von der Grösse des Paradeplatzes beanspruchen und jährlich eine halbe Million Franken kosten würde. Der Zürcher Gemeinderat beharrte aber darauf, dass man die Fahrzeuge nur erhalten solle, wenn dies «ohne Kostenfolge» möglich sei.

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